Dienstag, 10. August 2010

Wahnsinn mit/ohne System.


Wissts Ihr was mir Verrücktes passiert ist? Ich hatte Besuch. Hat sich doch tatsächlich einer hergewagt. Obwohl er ja gewusst hat, dass es hier eng ist. Keinen Platz gibt. Sowieso alle verrückt sind. Und dann auch noch für eine kurze Zeit. Hab ich mir gedacht, du komm her Bürscherl. Dir zeig ich des Japan.


So wild kann des doch net sein? Dieses Japan ist doch ein zivilisiertes Land. Es kommt Wasser aus der Leitung, man hat eine Klospülung und so viel Lichter wie da auf den Bildern immer sind, muss es doch auch Elektrizität geben. Und Autos baut er ja auch. Der Japaner. Schöne nicht, aber sonst gar nicht mal so schlechte. Also was soll da schon schiefgehen? Abenteuer ist das nicht.
Ich sags dir nur einmal. Überlegts Euch zweimal. Denn wer hierherkommt. Der kommt an hier. So direkt aus Deutschland. Bayerwald Nordlicht vielleicht. Man freut sich eine Runde. Und dann ist der Besuch erstmal fertig. Du wirst jetzt vielleicht sagen: Jetlag ist doch klar. Aber dass mein ich nicht. Handfester Kulturschock. Richtig schlimm. Ihr müsst euch das ungefähr so vorstellen: VielevielevielekleinemenschenvielevielevielebunteLichtersovieleDingeGerücheGeschmäckerMaterialien VerrücktheitenGeräuscheeeeeallesaufeinmal aaaaaaaaaaaaaaa. So gehts schon mal los. Sagst du zu deinem Besuch. Hey Alder. Komm mal runter. Bist ja erst einen Tag hier. Das Beste ist immer noch, wir packen erstmal unsere Sachen. Raus aus der großen Stadt. Rein ans schöne Meer. Nicht da wo ich schon mal war. So mit betoniertem Strand und 10000 Surfern. Neinnein. 3h im Zug. Chiba hört sich ja schon vom Namen her gut an. Alles easy denkst Du Dir in Deinem jugendlichen Wahn. Am Meer ruht der Mensch in sich. Selbst der Japaner. Aber freu dich nicht zu früh. Denn er ist immer bereit. Für Überraschungen. Er. Der Japaner.
So war das: Sitzt Ihr morgens früh am Strand. Kochts Euch ein schönes Haferl Packerlkaffee. Weil du bist ja extra in das größte kleinste Kaff gefahren, um ja den Menschen zu entfliehen. Einen Laden gibts da nicht. Geschweige denn ein Café. Also genau richtig. Und dann. In dem Moment wo Du Dir des denkst.... tut sich der Erdboden auf. Und hervor wuseln unglaublich viele kleine Menschen. Kleiner noch als die normalen Kleinen. Innerhalb von 10min bist du nicht mehr allein. Sondern umgeben. Von Schulklassen, Universitäten, Kindergärten oder Sonstigem. Die alle unglaublich bescheuerte Verrenkungen machen. Gymnastik. Übungen. Drill. Und Häubchen haben Sie auf. Alle.



Denkts Ihr Euch jetzt. Naja lustiges Schauspiel. Sitzen und gucken. Haben mir uns ja auch gedacht. Aber dann.
Kaum ein bisschen erholt. Dann sowas. Jungs laufen komplett angezogen ins Wasser. Wieder andere im Sumohöschen an Dir vorbei, der nächste bewacht 20 paar nasse Schuhe und spätestens nach dem hübschesten Rettungsschwimmer seit David Hasselhoff verlässt selbst der hartgesottenste Gaijin laut schreiend diesen Ort des Wahnsinns.









Also gut. Durchatmen. Heimfahren. Und wie gings weiter mit dem Besuch?

Vollgas
. Man will seinem Besuch ja auch was bieten. Gleich ein neuer Plan gemacht. Verstehst, zuviel nachdenken schadet da sowieso nur. Und stillhalten tun diese kleinen Wusler hier ja auch net. Also ein bisschen angepasst ist da immer noch am Einfachsten. Auch für den frisch angekommenen kleinen Gaijin. Deswegen. Neuer Plan. Der höchste Berg Japans. Fuji heißt er. Auch Herr Fuji genannt. Altehrwürdig sozusagen. Respekt hat er ja schon der Japaner. Auch vor der Natur. Hatte ich ja schon letztes Mal festgestellt. Und sowieso viel zu hoch dieser Berg. 3700m. Da traut sich doch das Fischervolk gar net nauf. Hammer uns gedacht.
Naja. Eigentlich selber blöd. Weil gewarnt hat man uns. Mehrfach. Und mir haben halt net mit den Errungenschaft von Sauerstoff in Dosen gerechnet. Und ganz ehrlich. Wir waren ja alle auch schon mal auf der Zugspitz. Aber immerhin geht auf den Fuji keine Bahn nicht nauf. Und. Es war verrückt. Ganz ehrlich. Ich kann Euch da nur den kurzen ausführlichen Bericht meiner besseren Hälfte unter sushi-for-lori.blogspot.com empfehlen. Da steht alles drin. Minutiös. Und sehr wahr. Hier müssen deshalb Bilder genauso viel sagen wie Worte. Und ich erzähl eh schon wieder viel zu viel.
Und mein Begleiter? Wissts. Der hat irgendwann gar nix mehr gsagt. Nur no gschaut. Und Fotos von Japanern gmacht. Japaneren, die fotografiern.









Naja. Und ist er Dir dann noch komplett durchgedreht? Der Besuch?
Es war knapp. Man kommt ja da runter vom Fuji. Hat nicht geschlafen. Ist ballaballa. Wenns Ihr verstehts. Da bringen ein paar Stunden Schlaf auch nix. Was soll man machen. Außer ablenken. Und des japanische Essen mit dem ganzen rohen Fisch trägt auch net unbedingt zur Klärung der Gehirnwindungen bei. Also neue Pläne machen. Ab nach Kyoto. Die alte Hauptstadt. Mehr Tempel als Häuser sagt man. Das alte, das wahre Japan sagt man. Und wirklich. Immer wenn Du meinst. Ned wahr. Von irgendwo ein Lichtlein. Im Kopf aber auch ein Lichtlein. Das hat sich nämlich nur immer gedacht. Warum nur. Warum seid ihr alle wahnsinnig geworden? In den letzten Jahrzehnten. Das ein jeder Besuch auch erstmal dem Wahnsinn anheim fällt. Oder fallen muss. So anstrengend für den, der den Besuch hat, ned wahr.
Aber von vorn. Beziehungsweise von der Mitte.
Erstmal steigst du ein. In den Shinkansen.
Und schwupp. Bist du in Kyoto. Und eins muss ich Euch jetzt schon sagen. Japanische Tempel schauen zwar alle gleich aus. Oder halt ähnlich. Aber alle ähnlich schön. Und es gibt auch hier viel zu viele Menschen. Und trotzdem hat des was. Kultur. Ruhe. Und am allermeisten. Ich liebe japanischen Gärten. So ein starkes Gefühl kannst du jetzt sagen. Liebe. Hast du recht. Aber schauts halt selber. Das sagt doch alles. Das merkt man schon in den Bildern, wie ruhig das da ist. Und des ist gar net einfach, sich da auf eine Auswahl zu beschränken... Am Liebsten will man sich hineilegen in die Bilderle.... Wahnsinn. Wunderschöner Wahnsinn.





















Schön. Viele viele Bilder. Kannst Dir selber anschauen. Macht halt doch auch mehr Spass wenn man selber da ist. Gabs denn sonst noch was Interessantes da in Kyoto?
Jetzt stressts mich mal net. Da muss die Spannungskurve langsam gestrickt werden in so einer Geschichte. Und mit Kyoto bin ich noch ned fertig. Weil ja schließlich. Da gibts noch mehr. Ein paar von dene Tempeljungs ham sich gedacht ein rotes Türl is langweilig. Machma einfach ein paar tausend. Da läuft man also kilometerlang durch den Wald und gleichzeitig durch rote Türl. Und wieder muss ich sagen. Wunderschön. Gemacht. Er kanns also. Schönes machen. Der Japaner. Oder er konnts. So ganz sicher bin ich mir nicht, ob ers immer noch kann.





Und der Besuch? Der war schon fast wieder ruhig. Also ziemlich ruhig. Wir waren ja auch noch zusätzlich im Wald. So an einem Bächlein entlang. Beim Wandern. Ganz allein ohne Japaner. Ohne Lärm. Er war wirklich wieder ruhig. Aber diesmal auf eine bessere Art. Nicht so nervös zuckend ruhig. Keine blutunterlaufenen Augen... nicht so wie am Anfang. Hab ich ein bisschen in mich hineingehorcht und mir gedacht, hehe, jetzt gibts nochmal eine volle Breitseite. Ab gehts in die Kiste. Kleiner Zwischenflash sozusagen.
Was jetzt kommt ist ein bisschen so typisch japanischer Zwiespalt. Weil total verrückt und zum aaaah schreien. Und trotzdem in diesem Fall ganz abgefahren. Wahnsinn hat System. Zumindest hier in Japan. Ihr habts ja sicher mal von diesen Kapselhotels gehört. Genau. Diese sargartigen Dinger wo ganz viele Menschen in einem Raum schlafen. Man hört jedes Pupsen, Schnarchen und Sonstiges. Und billig ist es auch nicht. Aber. Da gibts ein neues Hotel dieser Art in Kyoto. Des ist wie in einem Ipod hineinzuhupfen. Und wer wollte nicht schon mal wissen wie ein Ipod von Innen aussieht?











Und wie hats der Besuch aufgenommen?

Naja. Er war. Wie soll ich sagen. Doch sehr ruhig. Besser gesagt hab ich gar nix mehr von Ihm gehört. Er war erstmal ganz woanders hingefahren wie ich. Aber so is des halt. Und ob des jetzt wegen Verrücktheit der Japaner war das glaub ich eher nicht. Der wollt einfach woanders hin. Aber ich net.

Und dann waren er schon wieder weg oder was? Der Besuch mein ich?
Neinnein. Er war nicht weg. Wir ham ja noch Großes vorgehabt. Und ob Ihr es jetzt glaubt oder nicht. Er hat mich schon wieder überrascht. Er. Der Japaner. Nicht der Besuch. Den kenn ich schon länger, der überrascht mich nimmer so leicht. Jetz zu dieser Überraschung, da muss ich kurz, nur ganz kurz ausholen. Weil abunai ist wichtig zu wissen. Wenn du mal nach Japan kommst, dann brauchst du das. Abunai fast schon Lieblingswort von denen hier. Heißt "gefährlich" oder "Gefahr" oder so ähnlich und wird dir überall sowas von entgegengeschallt. Grad dass man nicht verpflichtet wird in einem Ganzkörpergummiball durch die Gegend zu hüpfen. Weil man könnt sich ja was wehtun. Also alles abunai und neonfarben markiert und sowieso.
Da wird man dann als großartig wagemutiger Europäer irgendwann halt doch ein bisserl abgestumpft. Weil was soll denn des allerweil. So gefährlich ist das Leben auch net. Ganz besonders net in Japan.
Die Geschichte war eigentlich so, dass wir in die Berg hineinwollten. Weil Japan nicht nur Fuji und Vulkane sondern auch richtig hohe Berge. Weiß man ja nicht im Europa drüben. Da kannt ma nur Tokyo und Tempel. Naja ein bisserl gabs da eine Tour, da sagt der Japaner abunai und der Europäer freut sich natürlich wie ein Schnitzel, weil da denkt er sich alles easy. Wenn der Japaner abunai, dann is des ungefähr wie den Lusensommerweg im Winter gehen. Also mir los. Zelt einpackelt. Leckere Verpflegung gebunkert. Und los. Der erste Gipfel, der Yari. Ein lockerer Spaziergang auf 3180m hinauf.




Alles nix abunai wie erwartet, direkt unter dem Gipfel gecampt. Noch ein bisserl den Sonnenuntergang und den Aufgang mitnehmen. Sich darüber freuen, dass man den eigenen Schatten in den Wolken tanzen sehen kann. Nicht nur Ich, du glaubst es nicht, auch der Besuch war geradezu gelöst. Er hat zwar wieder angefangen Japaner zu fotografieren, aber er hat sich glaub ich nur gefreut. Über die Japaner. Und die Sonne. Und den Untergang. Und man kann es glaub ich ihm nicht verdenken. Auch wenn man es im fernen Westen nicht weiß oder wissen will. Japan hat schöne Berge. Wahnsinnige schöne.









Jetzt wartet ihr aber gewiss schon ganz aufgeregt auf den Witz am Ganzen. Wenn schon der Spannungsbogen so ausgereizt. Gibt aber keinen Witz. Weil lustig wars nicht mehr so unbedingt. Am nächsten Tag. Das berüchtigte Daikiretto. So sagt er dazu der Japaner. Und wenn man ganz ehrlich ist. Im fernen westlichen Alpenland würdens dich so eine Tour nicht ohne Sicherung gehen lassen. Ich hätts halt klettern genannt. Aber halt ohne Seil. Trotz dieser eigentlich störenden Alibiketten alle 200m. Jetzt net dass wir unvorbereitet gewesen. Langtrainierte Hallenkletterer. Bloß das es in der Halle nicht ca 2000m nach unten geht. Am Grat rechts und links. Oder wennst halt in der Wand hängst.
Aber. Eigentlich. Trotzdem. Gerade deswegen. Wahnsinn. Wahnsinn. Wahnsinn. Hochwahnsinn. Ein Traum. Wenn man dann oben ist.









Und irgendwie. Wenn man sich ehrlich ist. Überlebt mans halt dann doch. Und eins muss man Ihm lassen dem Japan. Großartiges Camping. Mit Gratispanorama dazu. Und Sonnenaufgang zum selbstgemachten Kaffee. Wobei etwas Sorgen um den Besuch. Hat nur noch Japaner fotografiert. Höhenluft und Japan gleichzeitig dann wahrscheinlich doch zuviel. Man kann jedem anderen Nachfolger nur eine gute, langsame Japan - Akklimatisation empfehlen. Wobei. Ganz ehrlich. Ich mags ja auch. Das Japaner beim fotografieren fotografieren. Nur nicht auf der Zugspitz. Aber die war ja weit weg. Ganz weit.









Wenn Du jetzt aber sagst. Naja war doch eine nette Tour, übertreib mal net so mit deim abunai. Dann sag ich Dir jetzt noch eins. Des verrückte am Japaner ist des. Das wirklich gefährliche markiert er nämlich nicht. Und da mein ich jetzt gar net die Tour. Weil des ist viel subtiler. Des merkst kaum. Des ist der Wahnsinn. Unterschwellig kommt der. Und wennst ihn ned direkt über den Kopf reinlässt, den Wahnsinn, dann kommt er anders herein. Über den Magen zum Beispiel. Weil
was uns letztendlich doch noch beinah umgebracht hätt nach vier Tagen in den Bergen. Die gefühlten 52 Portionen von Cup Noodles. Mein Besuch wär mir fast vor den Bus gesprungen als ich ihm die 53. aufkochen wollt. Das. Das ist das einzig wahre abunai.



Und zum Abschluss? Nochmal mit dem Besuch in der großen Stadt gewesen?
Da. Genau da muss man hin. Da wollen alle hin. Das kennen alle. Shibuya Crossing bei Nacht. Immer wieder Wahnsinn. Hochwahnsinn. Wahnsinn Quadrat. Wahnsinn mit System.



Hey - war ja ein viel zu langer Blog - eigentlich schau ich sowieso immer nur auf die letzten paar Zeilen und guck mir die Kuriositäten an. Was gibts heute?

Einmal Konkurrenz für den schönsten Bauzaun der Welt. Reißende Köter mit Lätzchen (damit das Blut nicht das schöne Fell verschmutzt). Mein absoluter Liebling: Schuhe namens Dinkel. Deutsche Plakatwerbung (scheinbar mag der Japaner die deutsche Sprache gern - bitte das Kleingedruckte lesen). Ein grandioses Mousepad, sowie am Ende... naja das könnt Ihr Euch selber denken....