Mittwoch, 16. Februar 2011

Geräuschverschmutzung

Irgendwie glaub ich mir selber nimmer. Jetzt hab ich euch monatelang vom Invader erzählt. Hab euch Raumschiffe gezeigt. Hinweise gegeben. Verdächtige identifiziert. Kontrollmechanismen blosgelegt. Hauptquartiere erforscht. Alles das. Nicht nur irgendwas. Aber mittlerweile glaub ich eins: Er ist nicht mehr da. Der Invader.

Und wie kommst du jetzt da so plötzlich darauf?
Das ist so eine Sache. Braucht natürlich ein bisschen Vorlauf. Zum Erläutern. Und Ohrenfleisch. Denn heute gibts nicht nur was zum gucken. Sondern. Zum Hören. Womit mir auch schon beim Thema wären. Lärm. Oder Geräuschverschmutzung. Ich glaub das passt besser. Denn eigentlich. Japan ist ja vollgas sauber. Da kannst dir ein Schnitzel im Sommer auf dem schwarzen Asphalt braten so sauber ist des (und so heiß auch). Aber wenns jetzt um die Geräuschkulisse geht. Der Japaner hat einfach eine unglaubliche Affinität zum Geräusch. Jetzt nicht, dass die Leute viel reden würden. Oder laut wären. Nix. Kein Wort. So wenig wie möglich reden. Aber ich glaub dieses Land hat mehr Lautsprecher als die USA Überwachungskameras.
Jetzt fragt Ihr Euch sicherlich...

Ja wo und wie und warum denn überhaupt?
Also. Bei dem "wo" kann ich nur eins sagen. Überall. Des fängt an bei der normalen Straße. Da wird dir erzählt, was das nun für eine tolle Einkaufsstraße ist. Oder in der U-Bahn. Da wird dir in Abständen von fünf Sekunden erzählt wie gefährlich es doch ist, auch nur in der Nähe der gelben Linie zu stehen. Im Zug sowieso. Auf den Skipisten wird dir nix erzählt sondern dir deine Ohren mit der immergleichen J-Pop CD blutig gespielt. Am schlimmsten sind Geschäfte. Manchmal stehen da Leute mit Megaphon. Manchmal wird aber auch nur über die Lautsprecher jede Ware einzeln angepriesen. Da wird dir nicht nur eins erzählt. Sondern alles. Und auch nicht nacheinander. Sondern gleichzeitig. Plus Hintergrundmusik. Mein Lieblingsladen nicht nur in dieser Hinsicht. Don Quixote. Auch ein wunderbares Beispiel für Shopping in Japan. Da gibts ja so gut wie alles. Strahlend gelb findet man diesen wunderbaren Laden in vielerlei Ecken der Stadt. Und ganz ehrlich. Länger als fünf Minuten hält mans da drin nicht aus. Außer. Außer man geht gleich an der Abteilung für Ohropax vorbei...



Auch großartig. Geradezu Hammer. Mein Lieblingspark. Der Yoyogi Park. Mitten in Tokyo. Wobei dich da gottseidank keine Lautsprecher ständig beplärren. Vielleicht mag ich ihn auch deshalb so gern. Allerdings. Da machen sich die Menschen den Lärm selber. Der eine oder andere mag vielleicht sagen. Ist doch schön so Live Musik. Ganz gratis. Aber manchmal. Da ist das geradezu aberwitzig. Nicht nur, dass es immer Geräusche geben muss. Auch Geräusche alleine gehen scheinbar gar nicht.



Also ich gebs zu. Ich hab mich halb weggeworfen. Vor Lachen. Aber es ist auch zu schön. Anzusehn. Dabei sag ich euch eins. Der Yoyogi Park ist überhaupt der Wahnsinn. Eigentlich ist er ja bekannt für Cosplay. Diese bunt verkleideten verrückte Menschen. Treffen sich da jeden Samstag. Aber nicht nur das. Der Park ist mehr. Liebespärchen, Jogger, Sportgruppen, Fotografen, Schauspieler, Computerspieler, Joungleure, Tänzer, Rapper. Alles Verrückte Menschen. Alles da. Alles Japaner. Ich war da ja manchmal beim joggen. Aber eigentlich oft auch mehr nur um zu schaun. Und wenn Ihr jetzt sagst, ist doch alles ganz normal für einen Park. Sag ich. Das ist Japan! Klar? Und wenn du jetzt die Bilder siehst und denkst dir so braun alles und so wenig Leute... Es ist Winter. Klar?













Ok ich seh. Ihr seid noch nicht überzeugt von der Besonderheit des Parks. Aber ich sags euch. Das ist das Zentrum der Revolution. Und alles dreht sich nur um die Musik. Das ist das Wichtigste. Oder der Wichtigste. Denn der wichtigste Mann in der Musik unseres Jahrhunderts? Alles klar. Elvis! Und nicht nur Einer... Viele! Und nicht nur Viele... Sondern gleichzeitig verschieden, viele und Hauptsache laut.










Ok ok, alles schön und gut. Doch was hat das nun mit dem Invader zu tun?
Also ich könnt euch ja jetzt was erzählen. Von wegen Elvis. Außerirdischer und so. Chef aller Invader. Oder lebt noch. Oder so. Will ich natürlich nicht. Alter Hut. Ist ja auch Blödsinn. Wissen wir alle. Aber die Musik. Und diese Beschallung. Und dieser Lärm. Immer und überall und von überallher. Des ist einfach. Das passt nicht zu Japan. Wo nichts sagen mehr zählt als die ganze Zeit plappern. Land der Zurückhaltung, Stille und Einkehr. Das muss doch alles irgendwo her kommen...
Erst letzthin hab ichs dann verstanden. Das ist oft nur ein kleiner Moment. Man sieht ein Bild. Und denkt sich. So net. So gehts gar net.



Denn das. Hat sich der Japaner sicher auch beim Invader gedacht. Weil eins ist er sicher nicht. Der Japaner. Ängstlich.
Ich hab bei meiner Invaderrecherche natürlich auch den einen oder anderen Film der letzten Jahre gesehen. Weil oft ja im Film viel mehr Wahrheit als eigentlich ersichtlich. Und der Amerikaner erzählt ja auch gerne mal Geschichten. So mehr aus seiner Sicht. Da vergisst man dann schnell, dass der Invader zuerst in Japan gelandet ist. Und überhaupt soll die Menschheit ja nichts wissen. Vom Invader.
Aber es war dann mal wieder einer dieser Momente der Erkenntnis. Wie sie mich hier schon des öfteren ereilt haben. Der Invader ist nicht mehr da. Er war da. Und wurde vertrieben. Durch die Japaner. So net hat man gesagt. Raus mit Euch. Und wie? Durch Musik. Durch Lärm. Und nun. Nun gehts nicht mehr ohne. Die Angst vor der Stille ist einfach zu groß.



Manchmal. Wenn ich durch die Straßen lauf. Und ich für einen Moment nicht alles ausblenden kann. Denk ich mein Kopf macht gleich das Gleiche wenn ich noch weiter so beschallt werde. Puff. Geplatzt. Der Invader tut mir ja fast ein bisschen leid dabei. Wobei. Die Japaner kommen ja jetzt rein musikalisch schon recht schlecht weg. Dabei hatt ich letzthin ein geradezu grandioses Erlebnis. Ich stehe auf dem Turm vom Tokioter Rathaus. Schaue nach unten auf den Yoyogi Park. Und höre plötzlich diese wundersame Musik. Ich dreh mich um. Da steht er. Ein kleiner Japaner. Mit Ukulele. Und einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Manchmal. Manchmal auch öfter. Muss man diese Stadt und dieses Land einfach lieben.





Nach so viel Kuriosem. Ich weiß gar nicht obs da noch mehr braucht. Aus der dauerhaften Rubrik Kuriositäten. Aber mein Vorrat ist noch lange nicht erschöpft...
Deswegen. Heute eine kleine Auswahl überdimensionaler Plastikfiguren...